Inventar mit bewegtem Schicksal
FAK-Mitglied Joachim Killus vermittelte den „Umzug“ eines Altars von Hannover nach Litauen
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Eigentlich wollte FAK-Mitglied Joachim Killus das Osterfest in Willkischken (Vilkyskiai), einem 1.700-Einwohner-Ort im Südwesten Litauens verbringen, der bis 1945 zum damals deutschen Memelland gehörte. Aber das Coronavirus machte ihm einen Strich durch die Rechnung, denn eine Einreise nach Litauen ist derzeit nicht möglich.
Dabei hatte Joachim Killus gute Gründe, im April nach Willkischken zu fahren: Er hat in einem langen, mühseligen Prozess dafür Sorge getragen, dass ein wertvoller neogotischer Altar im Dezember 2019 von Hannover, wo er nicht mehr gebraucht wurde, nach Willkischken transportiert und in der dortigen Kirche aufgestellt wurde. Der Altar sollte Ostern in Anwesenheit des zuständigen evangelischen Bischofs und natürlich auch im Beisein von Joachim Killus, der die Umsetzung initiiert und organisiert hat, feierlich geweiht werden.
Der Altar ist eine qualitätvolle Arbeit von Friedrich Oppermann (1861-1945), der die Reliefs schuf, und Altarbauer Anton Mormann (1851-1940). Oppermann gilt als wichtigster Bildschnitzer des Historismus im Untereichsfeld. Der Altar entstand 1905/1906 wahrscheinlich in der Wiedenbrücker Werkstatt von Anton Mormann, mit dem Oppermann nachweislich zusammenarbeitete. Er ist 2,20 Meter breit und 3,00 Meter hoch, besteht aus geschnitztem, nicht gefassten Eichenholz, die von Oppermann geschaffenen Reliefs sind aus Lindenholz gefertigt, die farblich gefasst und teilweise vergoldet sind.
Ursprünglich bestimmt war der Altar für die Kapelle des Elisabeth-Stifts in Harsum (Landkreis Hildesheim), weshalb eines der Reliefs auch die Heilige Elisabeth von Thüringen beim Beschenken von Armen und Kranken zeigt. Aber dort blieb er nicht. Er gelangte in die Kapelle des St. Josephstiftes in Hannover und nach der Schließung des Hauses 2009 in die Hauskapelle des Altenpflegeheims St. Monika in Hannover.
Joachim Killus widmet sich seit Jahren ehrenamtlich der Weitervermittlung und Umsetzung von Kircheninventar, das aufgrund von Kirchenschließungen nicht mehr gebraucht wird. Seine Rettungsaktionen sind oft schwierig und arbeitsaufwendig. Von dieser Regel machte auch der Hannoveraner Altar keine Ausnahme. Bei seiner immerwährenden Suche nach „überflüssig“ gewordenem Inventar stieß er durch einen Hinweis aus dem Bistum Hildesheim darauf, dass das Altenpflegeheim St. Monika wegen einer Umstrukturierung seine Hauskapelle schließt. Daraufhin nahm er Verbindung zu der dortigen Leiterin auf und erfuhr, dass ein wertvoller Altar zu vergeben ist. Nachdem er sowohl beim FAK, dem Verein „Kirchen in Not“ in Mecklenburg-Vorpommern, den Bistümern Magdeburg, Berlin und Hamburg vergeblich nach einem „Liebhaber“ für das gute Stück nachgefragt hatte, wandte er sich an die Leiterin des litauischen Heimatmuseum in Silute, die er aus früheren Kontakten persönlich kennt. Das hat wohl nicht zuletzt damit zu tun, dass sein Vater einst in diesem Ort lebte, dort konfirmiert wurde und Abitur machte. Sie stellte einen Kontakt zu Orgelbauer Jörg Naß aus Rheine her, der schon des Öfteren Orgeln oder andere Spenden von Westdeutschland nach Litauen verbracht hat und aus diesem Grund dort eine größere Anzahl an Pfarreien kennt.
Und Jörg Naß wurde tatsächlich fündig, und zwar in Willkischken. Was wieder einmal deutlich macht, dass im Leben nichts über ein gut funktionierendes Netzwerk geht. Denn der Orgelbauer konnte auch noch einen Kontakt zur Litauen-Hilfe Bad Iburg herstellen, einst von einem vertriebenen Memelländer gegründet, die in regelmäßigen Abständen Spenden zu notleidenden Litauern transportiert. Über diese Schiene konnte der Altar kostengünstig nach Willkischken gebracht und dort aufgestellt werden, was Jörg Naß mit einigen Helfern höchstselbst bewerkstelligte.
Und dort steht der Altar nun seit Weihnachten und erfreut die Mitglieder der Gemeinde. Seine Weihe muss leider ohne den „Spiritus rector“ der Vermittlung stattfinden, doch ist damit zu rechnen, dass dieser in „coronafreien“ Zeiten, die hoffentlich bald kommen werden, doch noch nach Willkischken fährt, um zu schauen, wie der Altar in seiner neuen Umgebung wirkt.
Elke Kreischer