Von Bibliothek, Theaterwerkstatt, Jugendclub bis zum Museum

Mühlhausen in Thüringen – Stadt der (umgenutzten) Kirchen

Der Sage nach soll bereits im Jahre 451 der Hunnenkönig Attila bei seinem Zug von Ungarn nach Frankreich auf der Burg „Mulhus“ gewohnt und den Bau einer Kirche zu Ehren des Heiligen Georg veranlasst haben. Tatsächlich wird die Stadt erst ein halbes Jahrtausend später, im Jahr 967 in einer Urkunde Kaiser Ottos II. erwähnt. Später war Mühlhausen der erste Ort in Thüringen, der das Stadtrecht erhielt und wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts Freie Reichsstadt und Mitglied der Hanse. Der Handel mit Tuchen und der zum Färben nötigen Waidpflanze verschafften der Stadt und seinen Bewohnern im Mittelalter einen soliden Wohlstand. Mit etwa 10.000 Einwohnern gehörte Mühlhausen Ende des 15. Jahrhunderts zu den größten Städten Deutschlands.

Auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung Mühlhausens seitdem im Sinken begriffen war, zeugen noch heute vierzehn historische Kirchengebäude von der stolzen Vergangenheit. Natürlich können nicht alle Gotteshäuser heute noch gottesdienstlich genutzt werden. Doch dank einer klugen Städtebaupolitik sind alle Kirchengebäude Mühlhausens baulich in gutem Zustand und werden sinnvoll genutzt.

Die Martinikirche wurde zur Jugendkirche Foto: Autor

Hauptkirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde ist nun die Divi-Blasii-Kirche, in der der junge Johann Sebastian Bach zwei Jahre als Organist wirkte, woran vor dem Portal eine Bronzestatue erinnert. Die Marienkirche – nach dem Erfurter Dom die zweitgrößte Kirche Thüringens – dagegen hat ihre Funktion als Pfarrkirche eingebüßt; Gottesdienste finden hier nur noch zu hohen Feiertagen statt. Für wenige Wochen war Thomas Müntzer 1525 hier Pfarrer, bevor er die Mühlhausener Bürger in die fürchterliche Schlacht von Frankenhausen führte, in der viele den Tod fanden und auch Müntzer nach seiner Gefangennahme hingerichtet wurde. Heute erinnert eine Ausstellung in der Marienkirche an den „Bauernführer“, zudem finden regelmäßig Konzerte statt. Auch die Kornmarktkirche, das Gotteshaus des ehemaligen Franziskanerordens, beherbergt heute ein Museum. Bereits seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erinnert eine mehrfach neu konzipierte, äußerst interessante Ausstellung an die Nachwirkungen der Reformation und den Bauernkrieg.

in der Jacobikirche fand die Stadtbibliothek ein Domizil Foto: Autor

In der Jakobikirche mit ihrer markanten Doppelturmfassade fand 2004 die Mühlhausener Stadtbibliothek einen würdigen Ort.  Nach einer behutsamen Sanierung verfügt das Gebäude durch reversible Einbauten über vier Etagen zur Präsentation ihrer umfangreichen Buchbestände.

Als Lagerraum für eine Autowerkstatt wurde in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts die 1250 erstmalig erwähnte Kilianikirche genutzt. Nach umfangreicher Sanierung und dem Einbau notwendiger technischer Anlagen dient sie heute der 3K-Theaterwerkstatt als Auftrittsort und Wirkungsstätte. Die aus dem 14. Jahrhundert stammende Martinikirche ist weiter in kirchlicher Nutzung. Mit flexibler Ausstattung, einer Cafeteria und Funktionsräumen, wurde sie zur „Jugendkirche“ mit bemerkenswerter soziokultureller Ausstrahlung in der Stadt. Die Antoniuskapelle schließlich, im Mittelalter Bestandteil des gleichnamigen Hospitals und zu DDR-Zeiten Speisesaal eines Altersheimes, ist heute als Seminar- und Begegnungsraum Bestandteil einer Gruppenherberge.

Die Kilianikirche verwandelte sich in eine Theaterwerkstatt Foto: Autor

Die Problematik der Mühlhausener Kirchen und ihrer gegenwärtigen Nutzung konnte hier nur recht oberflächlich angeschnitten werden. Die Thüringer Stadt ist nicht nur für Touristen einen Besuch wert. Wer sich mit der Zukunft ungenutzter Kirchengebäude beschäftigt, kann hier wertvolle Anregungen empfangen.

Bernd Janowski

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