In der St. Marienkirche gespürt, dass Europa viel verbindet

Eindrücke vom Tag des offenen Denkmals in Frankfurt/Oder

Unter dem Motto „Sharing heritage“ – zu deutsch „das Erbe teilen“ – hatte die Europäische Kommission das Jahr 2018 zum Europäischen Kulturerbejahr erklärt. Ziel war es einerseits, an das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 anzuknüpfen, das damals international einen riesigen Motivationsschub für die Gedanken des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege brachte. Zum anderen sollte die Idee eines vereinten Europas, die in den letzten Jahren an Strahlkraft verloren hat, durch Verweis auf gemeinsame kulturelle Wurzeln neuen Glanz erhalten. Ein Fazit des diesjährigen Kulturerbejahres muss erst noch gezogen werden. Viele interessante Veranstaltungen fanden statt; die großen Diskussionen in der Öffentlichkeit und damit die erhoffte Breitenwirksamkeit jedoch blieben aus. Am zweiten Wochenende des September, an dem zum 25. Male der Tag des offenen Denkmals zahlreiche Besucher anlockte – passend in diesem Jahr zum Thema „Entdecken was verbindet“ – war nun noch einmal Gelegenheit, sich der Thematik des europäischen Kulturerbes zu nähern.

Konzert in der Frankfurter St. Marienkirche zum Tag des offenen Denkmals

Einen der Höhepunkte im Land Brandenburg bot am Sonntag, dem 9. September, ein Konzert in der St. Marienkirche zu Frankfurt an der Oder. Eingeladen hatten im Rahmen der Konzertreihe „Musikschulen öffnen Kirchen“ der Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg und der Förderkreis Alte Kirchen. Beide Partner initiieren die Reihe seit mittlerweile zwölf Jahren gemeinsam, allein in diesem Jahr finden 71 Musikschul-Konzerte in brandenburgischen Gotteshäusern statt. Bewusst  hatten  wir  die  europäische Doppelstadt Frankfurt-Slubice als Veranstaltungsort ausgewählt und auch die Auswahl der musizierenden Jugendlichen verkörperte den europäischen Gedanken. Das Deutsch-Polnische Jugendorchester eröffnete das Konzert bravourös mit der Ouvertüre aus Marc-Antoine Charpentiers Te Deum, dessen Fanfarenklang als Motiv der Eurovisionssendungen im Fernsehen inzwischen fast so etwas wie eine zweite europäische Hymne  geworden ist. Es folgten die Ouvertüre D-Dur von Johann Christian Bach, dem jüngsten Sohn Johann Sebastians und die „Mala Suita“ des polnischen Komponisten Witold Lutoslawski. Unbestrittener Höhepunkt des Konzertes waren dann Auszüge aus der gewaltigen Chorkomposition „Symphonic Adiemus“ des walisischen Gegenwartskomponisten Karl Jenkins, eindrucksvoll dargeboten vom Mädchenchor LIRA aus dem weißrussischen Minsk und dem Jenkins Men Choir, einem Projektchor mit Sängern unter anderem aus Szczecin, Frankfurt/Oder und Berlin. Standing Ovations aus der voll besetzten Frankfurter Marienkirche  waren den Musikern sicher. Als Zugabe erklang stimmgewaltig und passend zum eindrucksvollen Sakralraum der Schlusschoral aus Bachs Johannespassion „Ach Herr, lass dein lieb Engelein.“

In einem Grußwort zu Beginn des Konzertes würdigte Landeskonservator Dr. Thomas Drachenberg das mehrfache Wunder der Auferstehung der Frankfurter Marienkirche. Im April 1945 wurde das Gotteshaus, ebenso wie die komplette Innenstadt, stark zerstört. Trotz diverser Notsicherungsmaßnahmen kam es in späteren Jahren zu weiteren Teileinstürzen. In Zeiten  der DDR wurde lediglich die Sakristei wieder hergestellt und in kirchliche Nutzung genommen. Erst nach der sogenannten Wende nahm der Wiederaufbau richtig Fahrt auf. 1998 wurden die Hauptdächer über Chor und Langhaus fertig gestellt, später auch der imposante Nordturm, mit seiner einprägsamen Farbigkeit inzwischen wieder das Wahrzeichen Frankfurts, wieder hergestellt. Das damalige Konzept sah lediglich eine „Ruine unter Dach“ vor. Spätestens seit der Rückkehr der berühmten Glasfenster aus dem 14. Jahrhundert, die Jahrzehnte lang versteckt in den Depots russischer Museen lagerten und seit 2009 wieder vollständig im Chor zu bewundern sind, ist St. Marien wieder zu Frankfurts Bürgerkirche ge- worden. Die Spenden anlässlich des Konzertes waren für die Sanierung der Glockenanlage bestimmt. Und auch sonst bleibt noch mancherlei zu  tun, um die Restaurierung des Innenraumes und seiner Ausstattung abzuschließen. Zumindest in der Frankfurter Marienkirche war am diesjährigen Tag des offenen Denkmals ein Hauch von Europa zu spüren. Auch im Publikum saßen zahlreiche Besucher aus der Schwester- und Nachbarstadt Slubice. Begegnungen dieser  Art sollten noch weit mehr als bisher zur Normalität werden.  

Text u. Foto: Bernd Janowski

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