Sakrale Schätze im Exil, alte Instrumente und hochmoderne Technik

Musikalisch durch die Niederlausitz

An Kontrasten mangelt es auf dieser Exkursion nicht: eine kleine Kirche, die vom Dorf in die Stadt umzog; eine imposante Stadtkirche mit reicher Ausstattung, ein hochmodernes Kraftwerk, dessen Kühltürme weiße Wolken in den Himmel schicken; besinnliche Stunden bei alter und neuer Musik auf historischen Instrumenten…
Und das alles in einer einzigen Stadt: Spremberg im Lausitzer Braunkohlenrevier.

Seit Jahrzehnten sorgt der Kohleabbau in dieser Region für Umbrüche. Das geht auch nicht an den Gotteshäusern vorüber. Die Kirche auf dem Spremberger Schomberg stand jahrhundertelang im weit entfernten Pritzen, kurz vor der Wende sollte sie dem Bergbau weichen. Sie hatte Glück. Auf Betreiben von Denkmalschützern wurde sie fachmännisch abgebaut und für einen künftigen Kopiebau an einem anderen Ort eingelagert. Ihr großer Tag kam 1994, als sie mit dem bezeichnenden Namen „Auferstehungskirche“ in Spremberg wieder ihre Pforten öffnete für eine neue Gemeinde von überwiegend Bergbauvertriebenen. Auch ihre komplette Innenausstattung hatte sie mitgebracht. Dass man bei der Umsetzung mit aller denkmalpflegerischen Akribie vorgegangen war, davon zeugen heute noch die Nummerierungen auf den Feldsteinen im Mauerwerk.

Nummerierte Feldsteine erinnern an den Umzug der einstigen Pritzener Kirche

Ironie der Geschichte: Das Dorf Pritzen wurde schließlich gar nicht abgebaggert, die Wende war dazwischen gekommen. Als Ersatz für die ausgewanderte Kirche wurde der historische Holzturm der Wolkenberger Kirche hierhin umgesetzt und als Andachtsstätte ausgestaltet. Wolkenberg aber ist mitsamt seiner gotischen Kirche aus der Zeit 1442/43 endgültig im Tagebau verschwunden wie andere Dörfer auch. Ausstattungsstücken ihrer Kirchen begegnet man gelegentlich in anderen Gotteshäusern der Region.

Die Spremberger Kreuzkirche

Ein Beispiel dafür bietet sich den Exkursionsteilnehmern in der Spremberger Kreuzkirche. Der stattliche mittelalterliche Bau erzählt mit seiner kostbaren Innenausstattung von vielen Jahrhunderten wechselvoller  Stadt– und Kirchengeschichte.   Neben dem an Bild– und Schnitzwerk reichen Hauptaltar verdient ein zweites bemerkenswertes Retabel an der Südseite Aufmerksamkeit. Es ist ein prachtvolles Werk der Renaissance, wie ähnliche auch in der Auferstehungskirche und im Hornower Gotteshaus zu bewundern sind. Dieser zweite Altar aus dem Jahr 1610 stand einst in der Dorfkirche des Ortes Jessen (Niederlausitz), der ebenfalls abgebaggert wurde. Und auch das verschwundene Wolkenberg bringt sich noch einmal in Erinnerung. Der barocke hölzerne Taufstock der geschleiften Kirche hat im Spremberger Ortsteil Hornow wieder seine wichtige Aufgabe übernommen. Seine neue Heimstatt, die St.-Martins-Kirche, stammt ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert, hat aber im Laufe der Zeit so manche Veränderung durchgemacht. An ihrem Mischmauerwerk aus Feldstein und Backstein, teils verputzt, lässt sich die ganze Geschichte ablesen: Erweiterung der Fenster, Sakristeianbau, Neubau eines Turms im Jahr 1902. Eine uralte Eiche auf dem alten Kirchhof wird das alles mit angesehen haben… Kontrastprogramm: Rudolf Bönisch, der sich exzellent auskennt in Architektur und sakraler Kunst und gerade eben noch bei seinen Kirchenführungen vieles von diesem großen Wissen weiter- gegeben hat, erläutert im Informationszentrum des Kraftwerkes Schwarze Pumpe die Struktur der Erdkruste und die Funktion der riesigen Anlage. Spätestens jetzt registriert man, dass er eigentlich Geologe ist. Im Kraftwerk war er jahrelang in verantwortlicher Position tätig, weiß Auskunft über viele Details.

Tomasz Gubanski bei Konzert in Hornow

Und dann erklingt an diesem Ort modernster Technik plötzlich eine Oboe. Zwei international bekannte polnische Künstler begleiten die Exkursionsteilnehmer seit Anbeginn von Ort zu Ort und machen mit musikalischen Kostproben Vorfreude auf Kommendes: Slawomir Kamiski (Orgel) und Tomasz Gubanski (Oboe). In Hornow trifft man sich am späten Nachmittag wieder. In der alten Dorfkirche musizieren die beiden im Rahmen des Orgelfestivals „Mixtur im Bass“, das sich der Musik an historischen Orgeln der Niederlausitz widmet. Das Hornower Instrument aus dem Jahr 1883 stammt aus der renommierten Werkstatt von Wilhelm Sauer, Frank- furt (Oder).

Diese fünfte musikalische Reise des Förderkreises Alte Kirchen durch die Niederlausitz sollte nun die letzte die-ser   Art   sein.   „Schade“,   sagen   alle „Stammteilnehmer“ und hoffen auf neue ähnlich anspruchsvolle Angebote.

Text und Fotos: Eva Gonda


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