Mit dem Fahrrad sieht man besser
Eine Tour rund um den Ruppiner See
Konrad Mrusek ist Journalist und Mitglied im Vorstand des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e. V.
Wer Fontane folgen will, muss nicht unbedingt wandern. Dieser märkische Reisende ging schließlich auch nicht immer zu Fuß, sondern fuhr oft mit der Kutsche übers Land. Eine Radtour auf Fontanes Spuren hat sogar Vorteile: Man sieht mehr als in der modernen Auto-Kutsche und atmet zudem märkische Luft. Eine schöne Radtour lockt zum Beispiel um den Ruppiner See. Sie ist nicht nur deshalb zu empfehlen, weil Fontane diesen See liebte und wohl deshalb die vier Bände seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ gerade hier beginnen lässt. Die Tagestour hat überdies den Vorzug, dass die Strecke nicht allzu hügelig und somit selbst für nicht so konditionsstarke Radler gut geeignet ist. Mit einer Länge von 21 Kilometern sitzt man zudem nicht immerfort im Sattel und kann daher als kulturelles Begleitprogramm die um den See aufgereihten Dorfkirchen besichtigen.
„Der Ruppiner See“, so schreibt Fontane zu Beginn des Wustrau-Kapitels, „der fast die Form eines halben Mondes hat, scheidet sich seinen Ufern nach in zwei sehr verschiedene Hälften“. Der nördliche Teil gefiel ihm weniger gut, er fand ihn – mit Ausnahme von Neu- und Altruppin – ohne allen malerischen Reiz. Für die südliche Hälfte schwärmte er geradezu, und dieses Lob kann man als Radfahrer immer noch gut verstehen. Denn drei schön gelegene Dörfer schmücken sein Ufer– Gnewikow, Karwe und Wustrau, denen man noch heute ansieht, dass sie einst Rittergüter waren. Sie haben neben ihrer Lage am See einen weiteren Vorzug: Hier stören viel weniger Autos die Idylle als bei Neuruppin.
Eine Rund-Tour kann man theoretisch überall beginnen, doch ein Start in Wustrau und eine Umrundung zunächst nach Norden via Neuruppin / Wuthenow hat, wenn man aufs Ganze sieht, den größeren landschaftlichen Reiz und bietet ferner die Chance, die Tour mit einem gastronomischen Finale beenden zu können – zum Beispiel in Karwe oder zurück in Wustrau.
Wer mit dem Auto anreist, findet in Wustrau ausreichend Parkplätze auf dem Dorfanger. Hier holt man die Räder vom Auto-Dach und steigt in den Sattel. Der Radweg nach Neuruppin ist nicht zu verfehlen, er gleicht auf der westlichen See-Seite größtenteils einer Allee, die im steten Auf und Ab der leicht gewellten Topographie folgt. In Treskow geht es zunächst durch ein Gewerbegebiet. Kurz vor einer stark befahrenen Landstraße beginnt jedoch rechter Hand ein Radweg. Er folgt dem See-Ufer, biegt in Neuruppin dann nach links ab zur Hauptstraße. Wer sich näher zum See hält, erreicht – über mehrere Nebenstraßen sich kreuz und quer schlängelnd – auf schönerem Weg das alte Kloster-Quartier. Die Kirche des ehemaligen Dominikanerklosters zählt zu den wenigen Gebäuden, die vom Stadtbrand 1787 verschont wurden.
Auf dem Bollwerk, dem befestigten Seeufer, ist ein kleiner Imbiss möglich, bevor man kurz hinter der Therme nach rechts zum See-Damm abbiegt und der Straße nach Radensleben folgt. Der Radweg ist anfangs befestigt, danach wird er für etwa einen Kilometer zum Sandweg. Bei der Abzweigung nach Altruppin gibt es zwei Varianten: entweder direkt der Straße folgend nach Wuthenow, oder mit einem kleinen Umweg nach links und dann nach wenigen Metern auf dem Radweg rechts abbiegend nach Nietwerder zu fahren. In der Ortsmitte steht hier eine Backsteinkirche im Stüler-Stil, die im Vorjahr zum 150. Jubiläum – auch mit Hilfe des Förderkreises Alte Kirchen – renoviert wurde. Die Apsis ziert ein blauer Sternenhimmel. (Kirchenhüter ist Frank Metzelthin, Tel. 03391-397890).
Die Runde wird fortgesetzt, indem man zum Ortseingang von Nietwerder zurückfährt und links in eine Nebenstraße einbiegt; sie wird nach wenigen hundert Metern zu einem gut befahrbaren Feldweg. Dieser unterquert nach etwa einem Kilometer eine Bahnstrecke. Kurz danach ist man wieder auf der Straße nach Radensleben, biegt nach links und erreicht Wuthenow, ein Dorf, dessen Namen Fontane für seinen Roman „Schach von Wuthenow“ verwendete. Hier steht eine toskanisch anmutende Kirche, erbaut 1836 nach einem Schinkel-Muster für kleine Landkirchen (Schlüssel bei Elisabeth Voigt; Dorfstr. 17; Tel.: 03391-357175).
Am Ausgang des Dorfes biegt man rechts ab nach Gnewikow. Dieses Dorf, so schrieb Fontane, sei mit seinem Kirchturm und den Bauernhäusern eine besondere Zierde des Sees. Wer heute an der Kirche vorüberfährt, sieht ein Werbebanner, das um Spenden bittet für das spätmittelalterliche Kleinod. Denn der Turm ist marode und auch das Innere der Kirche müsste dringend saniert werden. Ob dies gelingt, ist nicht sicher. (Den Schlüssel hütet Familie Siebmann, Tel 03391-398609).
Hinter Gnewikow beginnt der landschaftlich reizvollste Teil der Tour, es geht unter uralten Bäumen in einem leichten Auf und Ab und in Sichtweite des Sees über Seehof nach Karwe. Das Dorf gehörte einst dem Geschlecht derer von dem Knesebeck, die sich in der spätgotischen Feldsteinkirche und auch am (neugotischen) Friedhofsportal gebührend verewigt haben (Schlüssel bei Frau Fischer Tel. 033925-70512). Fontane widmet den Knesebecks und dem Dorf einen längeren Text, in dem er in launiger Ironie auch an eine „Seeschlacht“ erinnert, die 1785 von den Söhnen der Knesebeck und der Wustrauer Zieten aus Freude an einem unkriegerischen Spaß ausgeheckt wurde.
Fontane ließ sich damals in einer halben Stunde von Wustrau nach Karwe in einem Fischerboot über den See rudern, mit dem Fahrrad braucht man etwas weniger, und dies selbst dann, wenn die alte Zugbrücke in Altfriesack besichtigt wird, die den Rhin überspannt. Dazu muss die moderne Straße nach Wustrau für eine kurze Distanz verlassen werden. Der Rhin wurde Ende des 18. Jahrhunderts kanalisiert und mit Schleusen versehen, um dem Ruppiner Land einen Wasserweg zu Havel und Elbe zu eröffnen.
In Wustrau, das mit Altfriesack eine Doppelgemeinde bildet, lebte das Zieten-Geschlecht seit dem 15.Jahrhundert. Ihr Berühmtester ist der Husaren-General Hans-Joachim von Zieten, auch der „alte“ Zieten genannt, der viele Schlachten für Friedrich den Großen schlug. Noch immer wird das Dorf vom reichen Erbe dieses Mitte des 19. Jahrhunderts ausgestorbenen Familienstamms geprägt. Es gibt ihr Schloss (das heute eine Richterakademie ist) und dazu eine prächtige Kirche. Diese ist ein ursprünglich spätgotischer Saalbau, der 1781, also in der Zieten-Zeit, einen hohen Turm mit einer barocken Haube erhielt. Dieser Turm wurde vor zwei Jahren saniert, ebenfalls unter Mithilfe des Förderkreises Alte Kirchen. (Die Kirche ist von Mai bis September von 10-16 Uhr geöffnet; ansonsten ist eine Anmeldung im Pfarrhaus möglich; Tel.: 033925-70254.)
Obwohl Fontane das Marmor-Epitaph des Generals in der Kirche kritisierte, weil es mit seinem allegorischen Kitsch nicht zum alten „Zieten aus dem Busch“ passe, so hatte er doch nur Lob für das Gotteshaus als solches. Er bezeichnete es als „ein Ideal einer Dorfkirche: schlicht, einladend, hübsch gelegen“. Das Innere der Kirche sieht zwar nun anders aus als zur Fontane-Zeit, weil es 1911 neu gestaltet und ausgemalt wurde, doch einladend wirkt das Gotteshaus noch immer mit seiner reichen Ausstattung. Hier gibt es nicht nur ein reges kirchliches Leben, sondern auch etliche Konzerte. Mitunter sind sogar viele Kinderstimmen zu hören. Das geschieht immer dann, wenn der Leiter des benachbarten Brandenburg-Preußen-Museums einer Kindergruppe das Innere der Kirche erläutert. Das moderne Museum ist im Grunde auch dem alten Zieten zu verdanken, zumindest ideell – als Hommage an eine der populärsten Figuren der preußischen Geschichte.
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Wer nicht über ein Auto mit Rad-Träger verfügt, der kann den Ruppiner See auch mit der Bahn erreichen. Der Regionalexpress nach Neuruppin befördert auch Fahrräder, doch kann es, besonders an schönen Wochenenden, zu Engpässen kommen, weil der Platz im Zug beschränkt ist. Daher empfiehlt es sich, bereits in Berlin-Spandau einzusteigen, wenn der Zug seine Fahrt beginnt. Beim Zwischenhalt in Henningsdorf kann es durchaus vorkommen, dass dort nicht alle Räder mit an Bord gehen können. Mit der Bahn ist ein Start in Neuruppin einfacher zu organisieren. Wer dafür dennoch Wustrau bevorzugt, steigt schon in Radensleben aus; dadurch verdoppelt sich allerdings die gesamte Fahrstrecke auf etwa 40 Kilometer. Allerdings hält der Zug in Radensleben nur alle zwei Stunden, in Neuruppin dagegen stündlich. Der Vorteil dieser Stadt ist selbstverständlich das größere gastronomische Angebot.
Bei einem Start und Abschluss in Wustrau gibt es unter anderem ein Restaurant in Karwe („Zur Kastanie“, Tel 033925-880-0)
sowie das Café Constance in Wustrau (Tel.033925-70676).
Weitere Hinweise finden Sie unter www.ruppiner-reiseland.de.