Dorfkirche Lindenhagen
Steckbrief
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17291 Nordwestuckermark OT Lindenhagen | Uckermark |
Feldsteinbau des 13. Jh., Turmaufsatz von 1793, reichgeschnitzte Kanzel 1708 | Schlüssel im Pfarrhaus, Tel. 039856-399852, oder lt. Aushang an der Kirche |
Text: Julia Bost-Topp & Sascha Topp
„Uniert, aber reformiert im Herzen“! So beschreibt Pfarrerin Katja Schmiedeke-Lenz den Teil ihrer Gemeinde des Dorfes Lindenhagen, die zur Kirchengemeinde Nordwestuckermark bei Prenzlau gehört. Grund dafür sind die bewegenden historischen Wurzeln seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, als der Ort noch Hindenburg hieß. 1948 sollte mit der Umbenennung die vermeintliche Verbindung zum Reichspräsidenten selben Namens getilgt werden, obwohl nie ein familiärer Bezug zur historischen Person bestand. Vielmehr konnten für das Jahr 1269 ein „Fredericus von Hyndenborg“ und für 1324 der Ort urkundlich belegt werden. Später war es die Adelsfamilie der Ritter von Bentz, die das Patronat für das Dorf innehatte. Als diese Erblinie ausstarb, ging das Patronat 1465 auf die unweit gelegene Stadt Prenzlau über. Doch für gut 200 Jahre fielen der Ort und mit ihm die aus dem 13. Jahrhundert stammende Saalkirche mit eingerücktem Chor und verbreitertem Westturm wüst. Erst die im letzten Drittel des 17. Jahrhundert eigens angesiedelten reformierten Glaubensflüchtlinge wohl aus der Pfalz und Frankreich (Hugenotten) brachten wieder Leben in die 1706 mit Gestühl und Empore erneuerte Dorfkirche. Der seit damals aufrecht erhaltene Patronatsanspruch der Stadt Prenzlau fand seinen Ausdruck in der Entsendung eines lutherischen Pfarrers von der Prenzlauer Gemeinde St. Nikolai. Während der Kircheninnenraum durch die Reformierten überaus schlicht mit einem steinernen Altartisch ausgestaltet worden war, steuerte Prenzlau 1708 als Kontrapunkt eine verzierte hölzerne Kanzel an der Südwand bei. Der Schwan als städtisches Wappentier Prenzlaus bezeugt sowohl an der Kanzeltreppe als auch in der Wetterfahne die historische Verbindung zur Hindenburger Gemeinde. Zwei schmuckvolle Kronleuchter hängen allerdings seit ca. 1990 nicht mehr in der Kirche, sondern im Prenzlauer Steintorturm.
Historisch bemerkenswert ist der Kontrast der kargen Innenausstattung zu einem in Brandenburg nahezu einzigartigen mittelalterlichen Altarbehang, der einst zum Kircheninventar gehörte. Diese für Gottesdienste verwendete Bildwirkerei soll laut kunstwissenschaftlichen Untersuchungen um 1500 im Brüsseler Raum (Flandern) entstanden sein. Die Tapisserie zeigt ein noch vorreformatorisches Bildprogramm mit sieben Szenen aus dem Leben Christi sowie der Mutter Gottes und thematisiert die „sieben Schmerzen Mariens“. Wie und wann die Bildwirkerei in die kleine uckermärkische Dorfkirche gelangte, ist weitgehend ungeklärt. In den Pfarrakten des damals nicht unbedeutenden Pfarrsprengels Hindenburg ist das Antependium erstmals für das Jahr 1787 belegt. Dort befand es sich in der Sakristei, bis das Stück 1901 per Leihgabe an das in Prenzlau gegründete Museum des Uckermärkischen Museums- und Geschichtsvereins ging. 1931 wechselte die Bildwirkerei per neuem Leihvertrag von Prenzlau in das Märkische Museum in Berlin. Noch um das Jahr 2000 war sie in der Berliner Nikolaikirche zu bestaunen. Seitdem lagert der wertvolle Besitz der Kirchengemeinde Potzlow-Lindenhagen geschützt im Depot der Stiftung Stadtmuseum Berlin.
Auf die unscheinbar wirkende Dorfkirche Lindenhagen und die regional bedeutsame Geschichte der uckermärkischen Kirchengemeinde wurde in Vergangenheit mehrfach aufmerksam gemacht. Ein Aufsehen erregendes Kunstprojekt des Melzower Lehmbauers Jörg Wappler sowie ein geschichtliches Schülerprojekt 2008 unterstrichen den Bedarf zum Erhalt der leider viel zu selten genutzten Kirche. Um diese Diskussionen wieder aufzunehmen, richtet die Kirchengemeinde am Samstag, den 28. September 2024 um 16 Uhr eine Benefizveranstaltung aus, die auch der bedürftigen Kirche zugutekommen wird. Eine an dem Tag zu enthüllende Farbdrucktafel der Tapisserie in Originalgröße samt geschichtlichem Vortrag und musikalischem Begleitprogramm soll einen gezielten Blick auf die uckermärkische Dorfkirche richten. Ihr wurden bereits 2008 dringende Erhaltungsmaßnahmen bescheinigt, die bis heute nicht erfolgten. Helfen Sie der Kirche mit Ihrem Interesse und Ihrer Spende!
Weitere Informationen:
Adresse der Kirche: Seeweg, 17921 Nordwestuckermark OT Lindenhagen
Kirchengemeinde Potzlow-Lindenhagen, Pfarrerin Katja Schmiedeke-Lenz, Tel. 039856-399852 oder 039863-323, pfarramt-potzlow@kirche-uckermark.de
Benefizveranstaltung: 28.09.2024, 16 Uhr in der Dorfkirche Lindenhagen
Spendenkonto: Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V.
Evangelische Bank – IBAN: DE94 5206 0410 0003 9113 90
Verwendungszweck: Dorfkirche Lindenhagen
Wer sich mit der Geschichte des Dorfes Lindenhagen und seiner Kirche beschäftigt, wird in alten Urkunden, Kirchenbüchern oder Publikationen vergeblich suchen. Bis 1949 nämlich trug der 1324 erstmals erwähnte Ort den Namen Hindenburg. Obwohl das uckermärkische Dorf mit dem Generalfeldmarschall und späteren Reichspräsidenten nicht das geringste zu tun hatte, passte dieser Name nicht in die neue, sozialistische Zeit. Inspiriert vielleicht von den Lindenbäumen rund um das Kirchengebäude, erfolgte die amtlich veranlasste Umbenennung.
Ursprünglich im Besitz der Ritter von Bentz, gelangte der Ort, nachdem diese Familie „im Mannesstamm erloschen“ war, 1465 in das Eigenturm der Stadt Prenzlau.
Schon damals jedoch war Hindenburg (Lindenhagen) eine wüste Dorfstelle. Lange Zeit blieben die Hofstellen unbesetzt, bis am Ende des 17. Jahrhunderts reformierte Glaubensflüchtlinge aus der Pfalz hier angesiedelt wurden. Diese Reformierten waren es auch, die die mittelalterliche Feldsteinkirche nach Jahrhunderten des Verfalls wieder instand setzten. Dabei wurden die ursprünglichen Fenster korbbogig vergrößert und zwei Portale auf der Nordseite zugemauert. Die Wetterfahne auf dem ñ allerdings erst 1793 entstandenen ñ barocken Turmaufsatz nennt als Datum der abgeschlossenen Wiederherstellung des Gotteshauses das Jahr 1706.
Aus dem selben Jahr stammen auch die Empore und das Gestühl. Den Altar bildet nach reformierter Tradition ein einfacher gemauerter Tisch. Schmuckvoll dagegen ist die mit gedrehten Säulchen und einem bekrönten Schalldeckel verzierte barocke Kanzel gestaltet. Die Tür zur Kanzeltreppe zeigt neben der Jahreszahl 1708 das Bild eines Schwans, der das Wappentier der Stadt Prenzlau ist.
Noch heute ist Lindenhagen Sitz eines reformierten Pfarramtes. Das Kirchengebäude jedoch wird für Gottesdienste nur selten genutzt. Für die kleine Gemeinde ist ein Raum im Pfarrhaus völlig ausreichend.
Vor einigen Jahren wurde das Kirchendach neu gedeckt. Akut drängende bauliche Aufgaben gibt es also nicht, auch wenn im Innenraum noch viel zu tun wäre. Das Hauptproblem der Lindenhagener Kirche ist die mangelnde Nutzung; fast immer ist sie verschlossen.
Auf dieses Problem macht seit kurzem ein Kunstprojekt im Kirchenraum aufmerksam. Auf Initiative des Architekten und versierten Lehmbauers Jörg Wappler und in Absprache und Zusammenarbeit mit der reformierten Gemeinde wurden Stampflehmwände in den Kirchenraum gestellt. Der Besucher muss diesen Hindernissen ausweichen, wenn er den Kirchenraum betritt. Auch der Blick auf den Altartisch ist durch eine Wand verwehrt.
Ästhetisch passen sich die temporären Kunstwerke hervorragend in den Kirchenraum ein. Durch die Verwendung unterschiedlicher Lehmsorten entstand ein warmes Farbenspiel. Die glatte und doch raue Oberfläche der Wände lässt sich auch sinnlich wahrnehmen. Dennoch stören die Einbauten; und genau das ist auch der Sinn dieser Aktion. Bei der gut besuchten Eröffnung, die mit Gottesdienst und Gemeindefest verbunden war, wurden die verschiedensten Fragen diskutiert: Ist das wirklich Kunst? Darf man so etwas in einer Kirche? Wird in Lindenhagen überhaupt noch eine Kirche gebraucht? Und zumindest die letzte Frage wurde eindeutig bejaht. Während der Aktion, die mindestens bis in den Herbst hinein zu besichtigen ist, bleibt die Kirche geöffnet. Angeregt wurde ein Schülerprojekt, das die Geschichte der Reformierten in der Uckermark und speziell in Lindenhagen untersucht. Auf diese Weise könnte eine kleine Ausstellung entstehen, die auch die Geschichte des Kirchengebäudes dokumentiert. Auf jeden Fall wurde eine Diskussion angestoßen, die für die Zukunft der Lindenhagener Kirche wichtige Impulse geben könnte.
Die Stampflehmaktion wurde im Rahmen des Projektes „Kunst und Kultur in brandenburgischen Dorfkirchen“ unterstützt vom Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. und der Kulturstiftung des Bundes.